Children’s House Publications
Lynne Lawrence
Mark Pinhero/Phil Saxon-JonesMark Pinhero/Phil Saxon-Jones
1998
44 Minuten
The Montessori Society A.M.I. (UK) 26, Lyndhurst Gardens London NW3 5NW, Great Britain
Dieser englischsprachige Beitrag ist nicht nur ein Film über das Montessori-Kinderhaus, sondern vor allem eine Studie über Wesen und Entwicklung des Vorschulkindes. Er besticht durch eindrucksvolle Aufnahmen aus englischen Kinderhäusern sowie die Tatsache, daß er wie kein zweiter Beitrag Maria Montessoris Erziehungspraxis als Versuch einer erfahrungsbegründeten Antwort auf kindliche Entwicklungsbedürfnisse und Lerninteressen portraitiert. Freiheit und Bindung, Erziehung zur Selbständigkeit und Verantwortung: Diese Strukturprinzipien ihrer Pädagogik sind der „rote Faden“ des Films und werden in ihrer wechselseitigen Verwiesenheit durchgängig betont.
Zunächst werden in chronologischer Reihenfolge Aufnahmen von historischem Interesse präsentiert, welche die Internationalität der Montessori-Pädagogik nachhaltig unterstreichen: Szenen aus Kinderhäusern in Berlin (1931), Acton, England (1950er), Hampton Wick, England (1960er), Tansania (1970er) und Kenia (1980er). Vor dem Hintergrund dieser dramaturgisch ansprechend inszenierten Einführung werden Leben und Werk Montessoris vorgestellt sowie wesentliche Erziehungsprinzipien und zentrale Dimensionen ihrer pädagogischen Praxis erläutert.
Im Hauptteil „Montessori Today“ werden diese Aspekte weiter ausdifferenziert. Dabei macht der Film einzelne Gesichtspunkte wie die Vorbereitung der Umgebung, Stellung und Funktion der Leiterin oder das Prinzip der Wahlfreiheit durch anschauliche, informativ und prägnant kommentierte Bilder in besonderer Weise sinnfällig. Hier wird nichts oberflächlich gestreift und schnell abgehandelt, sondern alles gründlich an eindrucksvollen Beispielen vor Augen geführt. Bemerkenswert sind etwa Szenen, welche die Leiterin bei der liebevollen Vorbereitung der Materialien zeigen, bei der Begrüßung der Kinder am Morgen oder bei ihrer schriftlichen Aufzeichnung individueller Entwicklungsfortschritte als Basis für die Planung pädagogischer Hilfen.
Die ausführlichen Darstellungen zahlreicher Übungen des täglichen Lebens und Materialübungen wirken nie gestellt, sondern sehr natürlich. Solche Bilder sind für den Zuschauer Schlüsselszenen, weil sie z.T. den ganzen Vorgang vom Holen eines Materials über die konzentrierte Arbeit bis hin zum Aufräumen beinhalten. Zudem beeindrucken diese Nahaufnahmen der Kinder in Momenten höchster Konzentration wie auch beim unbefangenen Partnerspiel in hohem Maße, da sich hier Verhaltensweisen, Bewegungsabläufe und Gesichtsausdrücke intensiv studieren lassen. So läßt sich etwa an einem mit dem Schleifenrahmen arbeitenden Mädchen gut erkennen, inwiefern nach Montessori die Hand das „Werkzeug“ des Geistes ist und ihre Übungen die Auge-Hand-Koordination schulen. Die Fülle an Beobachtungsmaterial macht den Film besonders sehenswert. Weitere Aufnahmen, welche die Gruppe beim Austeilen, Einnehmen und Aufräumen des Mittagessens sowie bei Freispiel und Tierpflege im Außengelände zeigen, runden diesen Filmabschnitt ab.
Nachfolgend stehen für das Kinderhaus charakteristische Lernaktivitäten im Vordergrund, die nach Montessori der geistigen Entwicklung des Vorschulkindes besonders entsprechen. Es handelt sich vor allem um Materialien und Übungen zur Mathematik, zum Lesen und Schreiben, sowie zum Sachunterricht bzw. zur Kosmischen Erziehung. Der Film betont, daß diese Angebote dem Kind Entdeckungen ermöglichen (z.B. Römische Brücke: Gesetz der Schwerkraft), ihm die Welt erschließen und es dabei schrittweise vom Konkreten zur Abstraktion führen. In diesem Kontext gelte es, schon dem Vorschulkind zur Einsicht in die „interdependence of all life“ zu verhelfen und seine angeborene Sensibilität für alles Lebendige zu fördern. Schließlich werden auch das Gehen auf der Linie sowie Formen musikalischer Früherziehung vorgestellt. Der Film endet mit der persönlichen Verabschiedung der Kinder durch die Leiterin.
„Montessori in Action“ ist eine facettenreiche Einführung in die Erziehungsphilosophie und Kinderhauspraxis Maria Montessoris und stellt eine zuverlässige Informationsquelle für Eltern dar, die für ihr Kind eine Vorschulerziehung nach Montessori-Prinzipien erwägen. Aufgrund seiner ungekünstelten, einfühlsamen und ruhigen Bilder läßt dieser Film sich auch ohne fortgeschrittene Englischkenntnisse mit Gewinn betrachten. Dennoch wäre eine deutsche Fassung wünschenswert, denn kein anderer, öffentlich zugänglicher Film gibt bisher einen so vertieften Einblick in die Arbeit des Montessori-Kinderhauses.