Das Montessori-Zentrum der Universität Münster unterstützt eine Arbeitsgruppe der Montessori-Vereinigung, zu der Dr. Reinhard Fischer (Universität Münster), Frau Barbara Stein (Montessori-Grundschule Bonn) und Dr. Wilhelm Suffenplan (ehemals Universität Köln) gehören. Diese Gruppe hat sich damit befasst, unter Nutzung der Lernstandsergebnisse der VERA-Untersuchungen in verschiedenen Bundesländern den Leistungsstand von Montessori-Grundschulen im Vergleich zu Regelschulen zu ermitteln. Die Ergebnisse für Montessori-Grundschulen im Land Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu Regelgrundschulen dieses Bundeslandes sind nun von Dr. Wilhelm Suffenplan (Am Ludwigsacker 6 D, 50374 Erftstadt, Tel/Fax: 02235/ 3340, E-Mail: w.suffenplan@gmx.de) im Doppelheft 1/2-2006 der Zeitschrift „Montessori“ (siehe dazu auch unten) veröffentlicht worden.
Die Auswertung bezieht sich auf die Lernstandserhebungen im Rahmen von „Vergleichsarbeiten (VERA)“ aus dem Jahr 2004. Ermittelt wurden Leistungen in Mathematik (Arithmetik, Geometrie, Sachrechnen) und Deutsch (Lesen, Schreiben <zu einem gestellten Thema>, Rechtschreiben, Sprachbetrachtung) bei Viertklässlern. Dabei wurden die beteiligten Klassen in vier Kontextgruppen mit besonders günstigen bis sehr ungünstigen Lernbedingungen eingeteilt. Kriterien für die Zuteilung zu den vier Gruppen waren vor allem die Klassengröße sowie individuelle und sozial bedingte Lernerschwernisse der Jungen und Mädchen. Durch sorgfältige Analysen wurde die Vergleichbarkeit der Montessori-Klassen und der Regelklassen weitgehend abgesichert. Einbezogen waren 80 Montessori-Klassen von 12 Schulen mit insgesamt 663 Viertklässlern.
Insgesamt ergab sich für die 28 Lernstandsvergleiche (in den sieben Lernbereichen und vier Kontextgruppen) bei knapp der Hälfte der Vergleiche eine deutliche (signifikante) Überlegenheit der Montessori-Klassen. Für die anderen Vergleiche stellten sich bei fünf Vergleichen tendenziell überlegene Leistungen der Montessori-Klassen heraus, bei acht Vergleichen gleichwertige und nur bei zwei Vergleichen schwächere Leistungen der Montessori-Klassen im Verhältnis zu entsprechenden Gruppen von Regelschulen.
Besonders auffällig war die Überlegenheit der Montessori-Schulen in den mathematischen Bereichen. Hervorhebenswert ist ferner, dass sich Vorteile für die Montessori-Schulen im Deutschen in den beiden Kontextgruppen mit den ungünstigeren Lernbedingungen ergaben. Offenbar hat die Montessori-Pädagogik einen hohen Fördereffekt auch für Jungen und Mädchen in schwierigen Lernsituationen. Die zwei schwächeren Lernstände bei Montessori-Klassen bezogen sich auf die beiden Gruppen mit günstigeren Lernbedingungen im Bereich Schreiben und Rechtschreiben. Ein wesentlicher Grund für diese Lernerfolge an Montessori-Schulen dürfte die in der Montessori-Pädagogik verbreitete individuelle Förderung der Schüler und die Ermöglichung eines handlungsorientierten, verstehenden Lernens sein.
Dass diese Lernbedingungen auch für die Förderung hochbegabter Kinder besondere Möglichkeiten bieten, ergibt eine am Montessori-Zentrum der Universität betreute Dissertation der langjährigen Mitarbeiterin und jetzigen Grundschullehrerin Esther Grindel zu Lernprozessen hochbegabter Kinder in der Freiarbeit der Montessori-Pädagogik.
Zur Einordnung dieser Ergebnisse kann man die Resultate der internationalen Vergleichsstudie IGLU / IGLU-E von 2002 heranziehen. Hierbei wurden für Viertklässler die mathematische Kompetenz (Arithmetik, Geometrie und Sachrechnen) und die Lesekompetenz getestet. Die Viertklässler in Deutschland und in NRW liegen bei diesem Vergleich im mittleren Leistungsbereich. Daraus kann gefolgert werden, dass an den Montessori-Schulen in NRW auch international gesehen ein beachtliches Leistungsniveau erreicht ist.
Diese Ergebnisse zu Leistungen von Montessori-Schulen stehen in Übereinstimmung mit älteren Untersuchungen in Deutschland und mit aktuellen internationalen empirischen Untersuchungen. So ergab eine Ende September 2006 in der weltweit renommierten Zeitschrift „Science“ veröffentlichte empirische Untersuchung in den USA („Evaluating Montessori Education“) für 12jährige Montessori-Schüler gleichwertige Leistungen in Mathematik sowie differenziertere, kreativere Leistungen im sprachlichen Bereich (Aufsätze) und ebenbürtige Leistungen in den anderen Lernbereichen. Hervorhebenswert ist ferner, dass in dieser Studie eine deutliche Überlegenheit der 12jährigen Montessori-Schüler im Vergleich zu Regelschülern hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz ermittelt wurde, die bereits bei fünfjährigen Montessori-Kindern festgestellt worden war. Da die untersuchten Gruppen hier nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt wurden und damit andere Einflussfaktoren wie das Elternhaus weitgehend reduziert wurden, ist die Aussagekraft dieser Untersuchung besonders hoch.
Eine andere Studie aus den USA zeigte an einer Gruppe von ca. 200 Schülerinnen und Schülern, die Montessori-Grundschulen besucht hatten, dass sie nach einem 5jährigen Besuch von regulären Sekundarschulen im Sprachlichen gleiche, aber im Bereich Mathematik/ Naturwissenschaften überlegene Leistungen aufwiesen im Vergleich zu Sekundarschülern, die keine Montessori-Grundschulen besucht hatten. Dies verweist auf eine Langzeitwirkung der Montessori-Bildung, die auch bei einem Besuch regulärer Sekundarschulen erhalten bleibt. Die einzelnen Ergebnisse dieser amerikanischen Studie sind in deutscher Übersetzung in Heft 1/2 -2006 der Zeitschrift „Montessori“ veröffentlicht.
Aus der Sicht der Montessori-Pädagogik sind solche positiven Ergebnisse im Bereich intellektueller Schulleistungen bei Montessori-Schülern zwar begrüßenswert, aber sie sind kein Selbstzweck. Sie sind vielmehr nur Mittel – wenn auch ein wichtiges – zur Bildung der Gesamtpersönlichkeit des jungen Menschen auf dem Wege zu einer selbstständig denkenden, emotional ausgeglichenen und verantwortlich handelnden Persönlichkeit in einer demokratischen Gesellschaft.